UNESCO Kulturerbe, hüten, was wir haben
Woran denkst du, wenn du UNESCO Weltkulturerbe hörst? Vielleicht an Denkmäler und Kulturstätten, an Pyramiden, Kirchen und Reis-Terrassen. Es gibt aber auch immaterielles Kulturgut, das im UNESCO-Verzeichnis steht.
Immateriell, das bedeutet Wissen und Können, welches von Generation zu Generation weitergegeben wird, oft mündlich überliefert. Gemeint sind Ausdrucksformen wie traditionelle Handwerkstechniken, Wissen über den Umgang mit der Natur, aber auch alte Lieder und Tänze. Und zu diesem immateriellen Kulturgut zählt auch die „Süddeutsche Wander- und Hüteschäferei“. Seit 2020 ist sie Teil des UNESCO Kulturerbes. Die Schäferei ist eine Kultur, die für uns Menschen heutzutage kaum noch präsent ist. Trotzdem ist sie schon seit Jahrtausenden ein fester und unverzichtbarer Teil unseres Lebens.
Genau genommen begann das Zusammenleben von Schaf und Menschen vor über 10 000 Jahren.
Das Nutztier Schaf lieferte Fleisch, Wolle, Milch, Häute und Dünger. Aus der griechisch-römischen Kultur kennen wir das Bild des Hirten mit dem Lamm; auch Christus wird als Hirte dargestellt. Den Schafen verdanken wir Bräuche, Traditionen und Feste wie z. B. den Schäferlauf oder Hüte-Wettbewerbe. Und Redewendungen wie „lammfromm“, „Schwarzes Schaf “oder „Schäfchen ins Trockene bringen“ kennt jeder.
Im 15. Jahrhundert dann etablierte sich die Kultur der Wanderschäferei; also ein Hirte, der mit seiner Herde umherzieht. Das klingt erstmal wild-romantisch. Ist es aber nicht.
Schäfer und Herde wandern im Wechsel zwischen Sommer-, Herbst- und Winterweiden dem Futterangebot hinterher und legen dabei Strecken bis zu 500 km zurück. Sie sind immer draußen - bei Hitze, Gewitter, Wind oder Regen. Von morgens bis abends. Allein. Mensch, Hund, Schafe. Das schweißt zusammen und schafft Vertrauen: Die Schafe verlassen sich darauf, dass ihr Schäfer nahrhafte Weiden findet, sie gefahrlos führt, bei Verletzungen hilft und das Wetter beobachtet. Für den Schäfer werden seine Schafe zum Lebensinhalt.
Was er dafür erschafft, ist umso kostbarer: geschützte Biotope, die ohne die Beweidung durch Schafe wieder verschwinden und zu Wald werden würden. Denn Schafe fressen selektiv. Was stachelt, bitter oder giftig ist, wird stehengelassen. So kann Lebensraum für Pflanzen und Tiere entstehen, den es sonst nicht geben würde.
Doch wie steht es aktuell um die Schäfereikultur?
Nicht so gut, denn die Wanderschäferei verschwindet nach und nach. Schuld daran sind die wachsende Infrastruktur, die die Weideflächen verringert; Pachtpreissteigerungen, Konflikte mit Behörden, die Rückkehr der Wölfe und ein Schäfernachwuchs, der nicht mehr bereit ist, sein Leben ausschließlich den Schafen zu widmen. Dadurch gibt es immer weniger Schäfereibetriebe.
Wenn die Kulturlandschaft nicht mehr mit Schafen gepflegt wird, gehen wertvolle Lebensräume verloren. Alte Schafrassen sind ebenso bedroht wie die extra dafür gezüchteten Hütehunde. Was bliebe, wären Museen, Bräuche und Feste, die zur Folklore werden. Aber keine Schäfer, die mit ihrer Herde in der Landschaft stehen.
Die Aufnahme der Süddeutschen Wanderschäferei als Immaterielles UNESCO-Kulturerbe ist deshalb umso wichtiger. Denn sie kann helfen, die Wander- und Hüteschäferei als Form einer nachhaltigen Landnutzung der Öffentlichkeit und Politik ins Bewusstsein zu rücken. In Zeiten, in denen die intensive Tierhaltung immer kritischer gesehen wird, könnte das gelingen. Denn das Schaf ist und bleibt ein Weidetier.
Zum Glück arbeiten viele Verbände und Vereine daran, die Schäferei als kulturelles Erbe lebendig zu halten.
Aber auch jeder einzelne Schäfer, den du mit seiner Herde in der Landschaft siehst, leistet seinen Beitrag – durch seine Arbeit und durch seine Präsenz in der Wahrnehmung der Bevölkerung. Wer zu einem freundlichen Gespräch mit Passanten bereit ist oder auch mal Interessierte mitnimmt, bleibt im Bewusstsein.
Wenn du auch einen Beitrag zum Erhalt der Schäfereikultur leisten möchtest, schau dich mal in unserem Magazin um: Hier findest du viele Beiträge zu unseren Partnerschäfereien, wie du beim Konsumieren auf Wollqualität achten kannst und wie wir unsere Filzprodukte herstellen.